Zwei Fahrer hatten am Vormittag bei schwierigen feucht-kalten Bedingungen sich im Qualifying noch vor Verstappen platziert. Zum einen Stippler, zum anderen Christian Krognes, der mit 7:49,578 den offiziellen Rundenrekord auf der NLS-Variante der Nordschleife hält. Verstappen hat diese Zeit schon geschlagen – aber bei Testfahrten, und was zählt das schon?
Verstappen setzte sich am Start also gleich neben Krognes, ging in Führung, und begann wegzufahren. Nun gilt es kurz die Rahmenbedingungen abzustecken: In der NLS fahren üblicherweise über 100 Autos. So auch in diesem Rennen, hier waren es 108. Rekord-Runden werden unwahrscheinlicher, je länger das Rennen dauert, weil sich langsamere Klassen zunehmend auseinanderziehen und man zwangsweise beim Überrunden aufgehalten wird.
Das Rennen kam Verstappen erst nicht entgegen. Auf der zweiten Runde störte hin zum Flugplatz eine kurze Gelbphase wegen eines abgestellten Autos, was auf der Nordschleife in temporären Tempo-Limits resultiert, die Runde war zum Vergessen. Aber war es das wirklich? Trotz zunehmendem Verkehr zog Verstappen in den darauffolgenden Runden – in denen ein zwischenfallarmes Rennen mit einer Strecke ohne Tempolimit-Zonen half – so richtig auf.
Relativ zu Stippler fuhr er eine genickbrechend hohe Schlagzahl. Sieben seiner elf kompletten Runden (ohne Start und In/Outlaps für Boxenstopps) lagen unter acht Minuten. Im Schnitt nahm er Nordschleifen-Experte Stippler über dreieinhalb Sekunden pro Runde ab. „Er ist natürlich die Simulator-Generation, er kennt die Strecke, das Auto, ich habe nichts anderes erwartet“, sagt Stippler nach dem Rennen. „Ich bin fest von ihrem Sieg ausgegangen.“
Verstappens durchschnittliche Rundenzeit bei freier Strecke war am Ende eine 7:56,0. Der Rekord blieb für Verstappen jedoch ein Fall von „so nah, und doch so fern“. In der fünften Runde mit sich hin zum ersten Stopp leerenden Tanks brannte er eine 7:51,514 in den Asphalt, doch zwei Sekunden fehlten. Auf seiner vorletzten Runde im zweiten Stint kam er mit 7:52,223 noch einmal ganz nahe, doch die 7:49,578 blieben knapp aber doch außer Griffweite.
Da lohnt sich aber ein Blick auf die Sektor-Bestzeiten. Und vor allem auf die theoretisch beste Runde, denn wie gesagt, Verkehrs-Glück spielt eine große Rolle auf der Nordschleife. Doch auch das reicht nicht. Verstappens theoretische Bestmarke ist eine 7:49,806. Keine drei Zehntel zu langsam, aber doch zu langsam. Wobei Rekordhalter Christian Krognes später sogar anmerkte: Die Bedingungen waren in diesem Rennen für Rekordfahrten bei weitem nicht ideal. „7:51 bei diesem Wetter ist sehr schnell.“
Wo genau, und wie, holte Verstappen nun die Zeit? Ein Blick auf die Sektorzeiten schadet nicht. Fünf gibt es davon auf der 24,358 Kilometer langen NLS-Variante der Nordschleife, die zusammen mit der Kurzanbindung des GP-Kurses gefahren wird. Hier möge man anmerken: Es zeigt sich, dass Verstappen ein F1-Meister ist, der auf breiten GP-Kursen unfassbar präzise fahren kann.
Die GP-Strecke war Verstappens Paradesektor. Umgerechnet auf Prozent (um die unterschiedlichen Sektorlängen zu bedenken) gewann er hier im Durchschnitt 1,83 Prozent pro Runde auf Stippler. Was nicht heißen soll, dass seine anderen Sektoren schlecht wären. 1,25 gewann er durch Hatzenbach hin zum Flugplatz. Im langen Hinterteil der Strecke hielt Stippler den Verlust bei 0,47 Prozent bloß in Grenzen. Sektor 5 ist zu vernachlässigen, das sind 48 Sekunden Vollgas auf der Döttinger Höhe, und da war der Mustang einfach schneller als der Ferrari.
Wäre Verstappen das Rennen durchgefahren, wer weiß, was noch dabei rausgekommen wäre. Aber gemäß Plan fuhr er die Hälfte, und überließ es seinem Schützling Chris Lulham – dessen Wechsel vom Simracing ins echte GT3-Cockpit er dieses Jahr fördert -, den Sieg nach Hause zu fahren. In Lulhams Händen zerrann das Verstappen-Polster, im Ziel waren nur mehr 24 Sekunden davon übrig.
Aber wie viel langsamer war Lulham? Nicht so viel, wie dieses Endresultat suggeriert. Hatte Verstappen noch Glück mit Code-60-Zonen gehabt, so hatte Lulham nun Pech. Einmal wurde direkt hinter ihm eine in Pflanzgarten aufgelöst, und er erwischte eine kurze Zone im letzten Sektor. Das kostete ihm innerhalb weniger Kilometer ganze 35 Sekunden auf seinen direkten Verfolger Jann Mardenborough im zweiten Ford Mustang mit der #9, der im Schluss-Stint den zweiten Platz übernommen hatte.
Lulhams freie Zeiten sind leider schwierig zu vergleichen, da er fast für die gesamte Dauer seiner beiden Stints Code-60-Zonen im Bereich Kesselchen und Karussell vor sich hatte. Bei freier Fahrt war die durchschnittliche Lulham-Runde eine 8:03, relativ zu Verstappens 7:56. Mit der Einschränkung, dass Lulham nur dreimal in Sektor 4 voll durchziehen konnte.
Die Lulham-Pace reichte letztendlich, um Ford #9 auf Distanz zu halten. Code-60-Glück ausgenommen reduzierten Mardenborough und sein Teamkollege Dennis Fetzer in den letzten 13 Runden den Rückstand auf Lulham nur um 8,9 Sekunden. Damit ist klar: Unter dem Strich war die Paarung Verstappen-Lulham die bei weitem beste Fahreraufstellung.






