Ein schleichender Plattfuß 83 Minuten vor Schluss hat einen möglichen ersten Sieg von Alpine in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) verhindert. Frederic Makowiecki, Jules Gounon und Mick Schumacher waren lange Zeit heiße Anwärter auf den Sieg und kämpften mit den beiden siegreichen Ferrari 499P auf Augenhöhe, bis in Mick Schumachers Stint der rechte Hinterreifen nachgab.
Der folgende Boxenstopp war zu früh, um es mit gut 80 Minuten Restzeit ins Ziel zu schaffen. Nur eine längere Full-Course-Yellow oder Safety-Car-Phase hätte Alpine retten können, doch diese kam nicht. Das Rennen hatte ohnehin schon drei Safety-Cars gesehen.
Ferrari rannte somit zum dritten Sieg im dritten Rennen, doch es war bei weitem nicht so dominant wie nach dem Qualifying zu befürchten. James Calado, Alessandro Pier Guidi und Antonio Giovinazzi holten im Ferrari #51 den zweiten Sieg, obwohl eigentlich die #50 (Fuoco/Molina/Nielsen; 2.) lange Zeit das schnellere Auto war.
Letztlich wurde es ein recht souveräner Sieg, allerdings gab es massive Konkurrenz vor allem durch den Alpine #36. Ohne den schleichenden Plattfuß bei Schumacher wäre es ein harter Kampf geworden, denn die #36 war eine ernstzunehmende Gefahr für AF Corse.
Wie es sich in der Longrun-Analyse abgezeichnet hatte, war Ferrari im Renntrimm keinesfalls so überlegen wie im Qualifying. Schon früh kristallisierte sich heraus, dass Alpine und Peugeot, aber auch BMW ernstzunehmende Konkurrenz für die 499P darstellen würden.
Zudem musste Ferrari auch noch den privat eingesetzten AF-Corse-Ferrari #83 (Kubica/Ye/Hanson) mit einem Turboschaden abschreiben. Phil Hanson fiel im Laufe des ersten Stints immer weiter zurück, nachdem er im Zweikampf mit Makowiecki mit zwei Rädern ins Kiesbett geriet. Der Ferrari verlor zunächst zwei Runden, kam dann aber wieder rein und verschwand schließlich für Stunden an der Box.
Die Werkswagen liefen ohne Probleme, doch der Alpine #36 wurde zur ernstzunehmenden Konkurrenz: Fred Makos Vorwärtsdrang im ersten Stint fiel James Calado in einem packenden Duell zum Opfer, in dessen Zuge Makowiecki in der Eau Rouge überholte.
An der Spitze hielt sich aber lange die #50, die Makowiecki nie einholen konnte. Das änderte auch eine Safety-Car-Phase mit vorgeschaltetem VSC nicht (zwei LMGT3-Boliden waren zeitgleich unabhängig voneinander gestrandet). Aber beim Stopp nach zweieinhalb Stunden änderte sich das Bild: Nach dem Wechsel auf Jules Gounon kam dieser vor Miguel Molina wieder auf die Strecke.
Danach behielt Gounon die Führung, auch bei einem weiteren Safety-Car nach drei Stunden, als Matteo Cairoli im Iron-Lynx-Mercedes #60 (S. Grove/B. Grove/Cairoli; 12. LMGT3) den United-Autosports-McLaren #95 (Leung/Gelael/Sato; DNF) von Sean Gelael in den Reifenstapel beförderte.
Das dritte und letzte Safety-Car, diesmal mit VSC, kam nach vier Stunden, als der United-Autosports-McLaren #59 (Cottingham/Baud/Saucy; 15. LMGT3) im Kies steckte, sich aber aus eigener Kraft befreien konnte. Beim Stopp unter VSC gingen beide Ferrari am Alpine wieder vorbei. Das war der Moment, ab dem das Rennen sich für Alpine und das Signatech-Team in die falsche Richtung entwickelte.
Nach dem Restart entbrannte ein Dreikampf um die zweite Position, während die #50 an der Spitze davon stürmte. Mick Schumacher, Alessandro Pier Guidi und Robin Frijns im BMW #20 (Rast/Frijns; DNF) lieferten sich einen monumentalen Kampf, verloren dadurch aber auch viel Zeit auf die #50. Dann bog Schumacher plötzlich mit dem schleichenden Plattfuß ab.
Der Alpine schien schon aus dem Rennen, doch es gab nochmal einen Plot Twist: Zahlreiche Fahrzeuge mussten kurz vor Schluss noch einmal zu einem Splash-and-Dash an die Box kommen. Das spülte den Alpine #36 wieder auf die dritte Position nach vorn.
Die Strategie spielte auch dem Toyota #8 (Buemi/Hartley/Hirakawa; 4.) in die Hände. Mit den nahezu chancenlosen Einstufung gelang es durch clevere Strategien, aus den Tiefen des Zeitentableaus am Ende bis auf den vierten Platz nach vorne zu fahren. Die #7 (Conway/Kobayashi/de Vries; 7.) kämpfte sogar an der Spitze mit, gehörte aber zu den Fahrzeugen, die zum Splash kommen mussten.
Dazwischen landeten die beiden Cadillac V-Series.R, die die durchaus vielversprechende Pace aus den Trainings-Longruns nicht mitnehmen konnten. Es schien immer ein kleines Stückchen Tempo zu fehlen, hinzu kam noch eine Kollision direkt in der Anfangsphase, die zu einer Durchfahrtsstrafe für die #38 (Bamber/Bourdais/Button; 6.) führte.
Die Punkteränge komplettierten der Alpine #35 (Chatin/Habsburg/Milesi; 8.), der Porsche #6 (Estre/L. Vanthoor/Wehrlein; 9.) und der BMW #15 (Magnussen/Marciello; 10.), der sich mit zwei Durchfahrtsstrafen (zu schnell in der Box und unter VSC) um ein besseres Resultat brachte.
Die beiden BMW M Hybrid V8 waren eine echte Überraschung, weil sie sich wieder einmal im Rennen deutlich besser schlugen als bei den Longruns im Training und anders als alle anderen Hersteller die weichen Reifen nutzen konnten. Die #20 kämpfte lange Zeit an der Spitze mit, fiel aber plötzlich kurz nach Mick Schumachers Problem ebenfalls zurück und musste schließlich an der Box aufgeben. Grund: Bremsprobleme.
Für Peugeot hätte das Rennen der große Wurf werden können, doch man stellte sich selbst ein Bein: Der 9X8 #93 (di Resta/Jensen/Vergne; 11.) stoppte als einziges Fahrzeug beim Safety-Car zur Rennhalbzeit nicht und fuhr das gesamte Rennen auf einer unvorteilhaften Strategie. Die #94 (Duval/Jakobsen/Vandoorne; DNF) schied nach einer Kollision mit dem BMW #20 mit Aufhängungsschaden aus.
Porsche fehlte es das ganz Rennen über an Tempo. Zwischenzeitliches Aufblitzen in der Spitzengruppe waren auf strategisches Hin und Her zurückzuführen, bestätigte Urs Kuratle, Leiter Werksmotorsport LMDh, gegenüber Motorsport-Total.com nach dem Rennen. Pascal Wehrlein hielt sich bei seinem WEC-Debüt schadlos.
Aston Martin wurde durch die vielen Safety-Cars immer wieder ins Rennen zurückgespült, doch noch fehlt es an Tempo. Dennoch liefen beide Valkyries ohne Probleme durch, was für die 24 Stunden von Le Mans Mut machen sollte.
Eine kurze Full Course Yellow etwa eine halbe Stunde vor Schluss entschied das Rennen in der GT-Kategorie zugunsten des AF-Corse-Ferraris #21 (Heriau/Mann/Rovera; 1. LMGT3). Sie wurde genau ausgerufen, als der Ferrari 296 LMGT3 gerade an der Box stand. Somit war das Rennen entschieden.
In die Röhre sah der Proton-Ford #88 (Gattuso/Levorato/Olsen; 2. LMGT3) beim stärksten Auftritt, den die Ford Mustang LMGT3 bislang in der WEC hingelegt haben. auch auf den Plätzen drei und vier heißt es Ferrari vor Ford mit der #54 (Flohr/Castellacci/Rigon; 3. LMGT3) vor der #77 (Sousa/Tuck/Barker; 4. LMGT3), gefolgt von den zwei Aston Martin und dem Manthey-Porsche #92 (Hardwick/Pera/Lietz; 7. LMGT3).
Polesetter Finn Gehrsitz leistete sich einen schweren Fehler und fuhr bei Rot aus der Boxengasse. Für den ASP-Lexus #78 (Robin/Gehrsitz/Nakayama) sprang der achte Rang heraus, gefolgt vom WRT-BMW #46 (Al Harthy/Rossi/K. van der Linde; 9. LMGT3).
Die WEC macht sich nun bereit für den großen Auftritt. Die 93. Auflage der 24 Stunden von Le Mans geht vom 11. bis 15. Juni auf dem Circuit de la Sarthe über die Bühne.